Gedanken über den Wert von Kommunikation

Ein Verlust an Ansehen hat Folgen für ein Unternehmen. Er führt zu dramatischen Abschreibungen auf den Firmenwert. Tatsächlich oder faktisch. Man ist dann "out". Ein Ansehensverlust wiegt schwer.

Wiedergewinnen von verlorenem Vertrauen ist eine teuere Sache. Und es dauert lange.

Im Sprachgebrauch ist der Wortreichtum auf der Verlustseite größer als auf der Gewinnseite: Imageverlust, Rufschädigung, Ansehensverlust, Gesichtsverlust, Vertrauensschwund, Glaubwürdigkeit verloren etc.

Genauso ist missverständliche, unterlassene, falsche oder zum falschen Zeitpunkt erfolgte Information ein Risiko an sich und kann zu beträchtlichen Verlusten führen.

Obwohl es dramatischer Beispiele hierfür gibt, ist dies von vielen Unternehmen noch nicht erkannt.

Dafür ein Beispiel (Financial Times Deutschland v.16.5.03, S. 6): "Eine flapsige Aussage hat die Aktie des Fachverlagsriesen Wolters-Kluwer gestern zum Absturz gebracht. Man habe die Ertragsprognose um "ein paar Prozentpunkte" heruntergesetzt, sagte Konzernchef Rob Pieterse bei einer Telefonkonferenz mit Analysten. Fazit dieser lapidaren Äußerung: Der Aktienkurs des milliardenschweren Konzerns fiel zeitweise um bis zu 20 Prozent."

So merkwürdig es klingt: Kommunikation als Risikofaktor fördert die Einsicht in die Bedeutung von Kommunikation. In diesem Falle als Wertvernichter.

Sowohl Corporate Governance als auch das vorher in Kraft getretene Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich fordern von den Leitungsgremien Offenheit gegenüber allen relevanten Gruppen der Öffentlichkeit und sog. "vertrauensbildende Maßnahmen".

Vertrauen, Offenheit und Transparenz — wie will man diese "Assets" realisieren, wenn nicht mittels zeitnaher Information und glaubwürdiger Kommunikation?

Vertrauen ist, wenn geglaubt wird, was du sagst.

Ich will an dieser Stelle Stefan Kirsten, Vorstandsmitglied von ThyssenKrupp mit einer Äußerung auf der Tagung der Schmalenbach-Gesellschaft zum Thema Risikomanagement zitieren:

"Nicht der Untergang von Sachen, sondern der Untergang von Meinungen ist für Unternehmen das größte Risiko."

Und weiter:

"Statt auf Sach- müssten Unternehmen ihr Augenmerk zunehmend auf Reputationsrisiken richten."

Lassen Sie uns also festhalten: Ansehen, ein guter Ruf, Reputation, Bekanntheit, Attraktivität haben einen in des Wortes doppelter Bedeutung "geschätzten" Wert.

Dieser jedoch ist nicht Gott gegeben.

Ansehens- und Vertrauensgewinne entstehen nicht eo ipso, sondern sind das Ergebnis einer Inszenierungs- und Verhaltensstrategie. Beides sind dominante Kommunikationsdisziplinen.

Information und Kommunikation sind Voraussetzungen wirtschaftlichen Handelns. Sie dienen der Koordination in Unternehmen und Märkten. Obwohl sie damit eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren und den Erfolg von Unternehmen und die gesamte Wirtschaft darstellen, wird ihr Wert immer noch völlig unterschätzt.

Aufpassen müssen wir trotzdem: Nicht Kommunikation an sich ist ein Wert. Erst das, was durch Kommunikation geschaffen wird, ist "Wert-voll". Insofern ist es nicht falsch, Kommunikation als einen — lange Zeit unterschätzten — Werttreiber zu identifizieren.

Unternehmenskommunikation ist schließlich kein Selbstzweck. In den Führungsetagen der Unternehmen wird dies im übrigen zunehmend erkannt. Betriebswirtschaftliche Bedeutung hat zuallererst die Finanzkommunikation. Sie hat schneller als jede andere Teildisziplin des Management überzeugt.

Vorstände und Unternehmensleiter sind darin zu "Beteiligten" geworden, was für viele ungewohnt war. Bei den Betreffenden hat es jedoch die Einsicht von der Wichtigkeit von Kommunikation als unternehmensstrategische und gleichzeitig wertschöpfende Funktion befördert und somit eine bisher noch nicht vorhandene Wahrnehmungsebene erreicht.

Verbunden damit ist auch die "Erfahrung", dass Kommunikation und Information nicht zum Nulltarif zu haben sind. Plötzlich, als hätte es vorher niemand gewusst, blicken die Unternehmen auf die Aufwandsseite und stellen erstaunt fest, wie viel Geld sie für eine scheinbar nebensächliche Aufgabe aufwenden müssen. "Müssen", weil mittlerweile Kommunikations- und Informationspflichten (insbes. auf dem Finanzmärkten) weitgehend durch Gesetze und Verordnungen reguliert sind.

Ich will Ihnen einige aktuelle und einschlägige Ausführungen zitieren, die gleichzeitig belegen, dass Kommunikation und Information in den Führungsetagen deutscher Unternehmen ernst und wichtig genommen werden.

"Das Ansehen von Hochtief in der Geschäftswelt ist einer unserer wichtigsten Vermögenswerte." (Dr. Hans-Georg Vater, Vorstandsmitglied Hochtief AG im Geschäftsbericht 2002).

"Wir wissen, das die Nachhaltigkeit unseres Erfolgs auf unserer Reputation als Geschäftspartner, unserem Ansehen in der Gesellschaft und unserer Attraktivität als Arbeitgeber für hervorragende Mitarbeiter gründet." (Allianz Group, Geschäftsgrundsätze, Geschäftsbericht 2002)

"Keine Frage, Kommunikation hat einen zentralen Stellenwert. Was wir kommunizieren — intern wie extern — muss konsistent und kongruent sein. Brüche würden sofort wahrgenommen." (Dr. W. Reitzle, Vorsitzender des Vorstandes der Linde AG im Geschäftsbericht 2002)

Die Antwort auf die Frage, ob Kommunikation einen Wert besitzt, ist schlicht, aber wahr: Kein Mensch gibt Geld für etwas aus, wovon er sich nichts erwartet. Das gibt es nicht. Statt Geld kann es auch eine Anstrengung, der Einsatz von Charme oder Zeit zur Verfügung stellen sein.

Das betrifft aber zunächst nur die Aufwandsseite. Schon an diesem Punkt stecken wir in der Branche in einem Dilemma. Weltweit gibt es zur Zeit kein einheitliches System zur Erfassung der Kommunikationsaufwendungen. Ja, nicht einmal darüber was Kommunikationskosten sind, herrscht Klarheit.

Somit ist den meisten Unternehmen gar nicht bekannt, wie hoch ihre Investitionen und sonstigen Aufwendungen für Kommunikation und Information überhaupt sind. Informations- und Kommunikationskosten werden bisher vom betrieblichen Rechnungswesen nicht oder nur sehr unvollständig erfasst. Kommunikations- und Informationsaufwendungen sind "hidden Expenses". Ein Grund ist sicherlich, dass der Kommunikationsbegriff für sich genommen ziemlich schwammig ist, was betriebswirtschaftlich die Zuordnung erschwert, ja häufig sogar unmöglich macht.

Dem steht die berechtige Forderung gegenüber, den Nachweis über das Ergebnis kommunikativer Bemühungen zu erbringen — den Return on Investment. Kommunikationsmanagement ist schließlich nicht "ein unbestimmtes Etwas mit einer ganz bestimmten Wirkung!" , sondern ein ernst zu nehmender Wirtschaftsfaktor.

Allein aus der Tatsache, dass Unternehmen heute beträchtliche Mittel aufwenden müssen, um wahrnehmbar zu kommunizieren, erwächst die Notwendigkeit, Kommunikation aus dem Dornröschenschlaf des "Nice to have" herauszuführen und strategisch neu innerhalb des Unternehmenskonzepts zu positionieren. Je stärker Kommunikation als Werttreiber in den Unternehmen erkannt wird, desto nachhaltiger entsteht das Bedürfnis, die Kosten in den Griff zu kriegen und das Ergebnis zu messen.

Wenn wir einen Schritt weiter kommen wollen, müssen wir versuchen, Information und Kommunikation in betriebswirtschaftliche Kategorien zu überführen. In den Führungsetagen wächst die Bereitschaft, sich mit diesen Fragen zu befassen. Den Takt gibt die Finanzkommunikation vor.

Viele CEO und CFO erfahren am eigenen Leibe, was sie mit unprofessioneller Information und Kommunikation anrichten können. In erster Linie sehen sie aber die immensen Kosten. Und darauf wollen sie verständlicherweise Einfluss nehmen. Sie verlangen also nach Steuerungs- und Controllinginstrumenten. Über die verfügen wir heute noch nicht, obgleich es an vielen Stellen Ansätze dafür gibt.

"Darüber hinaus zeigt die Entwicklung der letzten Jahre, dass die Investitionen in immaterielles Vermögen ständig wachsen und eine wertorientierte Unternehmensführung ohne Kontrolle der Entwicklung und des Einsatzes (…) von immateriellen Vermögenswerten nicht mehr möglich ist." (K.-H. Maul, PWC)

Kommunikation macht in diesem Zusammenhang nur Sinn, wenn sie einen werterhöhenden Beitrag im Unternehmen leistet. Sonst ist sie überflüssig und hat zu unterbleiben.

Das herkömmliche Kontrollinstrumentarium für betriebswirtschaftliche Prozesse erfasst nur einen Teilausschnitt aus den Prozessen der Wertschöpfung. Dass aber Umsatzrendite und Marktstellung entscheidend über Unternehmens- und Markenmanagement beeinflusst werden, wird vor dem Hintergrund des traditionellen betriebswirtschaftlichen Denkens leicht ausgeblendet. Der Erfolg, besonders der bilanzielle Erfolg, ist aber in hohem Maße abhängig von der öffentlichen Positionierung eines Unternehmens.

Kommunikation macht in diesem Zusammenhang nur Sinn, wenn sie einen werterhöhenden Beitrag im Unternehmen leistet. Sonst ist sie überflüssig und hat zu unterbleiben.

Ziel ist der Aufbau eines Kommunikations-Controllings, welches den Weg zu einer ergebnisbasierten Ressourcenallokation und Kostenkontrolle im Kommunikationsbereich weist. Daran müssen wir arbeiten. Aber dazu brauchen wir Verbündete: Controller, Wirtschaftsprüfer, Revisoren u.a. Wir müssen es zuallererst selbst wollen und uns nicht hinter Floskeln verstecken. Sonst verlieren wir Kompetenz und Ansehen.

Und das kann uns teuer zu stehen kommen.

(Kurzfassung eines Vortrages, gehalten am 21. Mai 2003 in Stuttgart auf dem "Public Relations Forum live" zu dem Thema "Rechnet sich PR?")

© Manfred Piwinger