Von Manfred Piwinger
Stimmungen sind jedermann aus seiner Alltagserfahrung bekannt. An manchen Tagen erscheint uns unser Leben schön und großartig, an anderen Tagen trostlos und sinnlos. Diese subjektiv erlebten Befindlichkeiten sind zumeist nicht von langer Dauer, üben aber großen Einfluss auf unsere Lebenseinstellung und unser Verhalten aus. Verwirrend ist, dass dem einzelnen die Ursachen für seine jeweilige positive oder negative Stimmung zumeist im Verborgenen bleiben.
Stimmungen werden im Alltag überwiegend intuitiv empfunden. Man lässt sich von einer Stimmung mitreißen, gibt sich einer Stimmung hin oder lässt sich von ihr verzaubern. Lassen wir uns nicht gerne von den Gesängen der Fußballfans in Stimmung bringen und zu Begeisterungsstürmen für die jeweilige Mannschaft hinreißen? Wenn Frischverliebte oder solche, die es werden wollen, ein romantisches Stelldichein mit Kerzenschein, leiser Musik, Wein und einem raffinierten Essen zelebrieren, dann sind Verführungsrituale im Spiel, die auf das Herstellen einer geneigt machenden Stimmung abzielen.
Die meisten Menschen verhalten sich stimmungskongruent. Das heißt: So wie sie sich fühlen, verhalten sie sich auch. Im Wechsel der Stimmungen erlebt man die Wirklichkeit in Gegensätzen. „Die Welt der Glücklichen ist eine andere als die des Unglücklichen“, schrieb der Philosoph Ludwig Wittgenstein. Stimmungen führen uns, sie können uns aber auch verführen. Wenn schlechte Stimmung zur Sucht wird, krallt man sich fest und bewegt sich nicht vom Fleck. Man sieht es den Menschen an – sie selber merken es oft nicht. Kollegen meiden den, der sich und andere mit übler Stimmung lähmt.
Als sehr aufschlussreich erweist sich der im Alltag gebräuchliche Wortschatz. Tatsächlich ist die Relevanz des Begriffs „Stimmung“ in allen seinen Varianten und Schattierungen durch die Verwendung in der Alltagssprache belegt. Keine Stimmung zu haben wird als Defizit empfunden („Da kam überhaupt keine Stimmung auf!“). Im Laufe der Zeit hat der Mensch eine Messskala für die Bewertung von Stimmungen entwickelt: „Die Stimmung ist auf dem Nullpunkt angelangt.“„Die Stimmung ist auf einen Tief-/den Gefrierpunkt gesunken.“„Die Stimmung war gegen uns.“
Wenn ein „frostiges Klima herrscht“, man „zu Tode betrübt“ ist oder einem jemand „die Stimmung verdirbt“, eine „angespannte Atmosphäre“ herrscht oder man „nicht in Stimmung“ ist, so wird dadurch auf der Stimmungsskala immer ein ganz bestimmter Wert markiert (vgl. Piwinger/Niehüser 1997, S. 175f.). Selbst dann, wenn man bei einem Anlass eine „merkwürdige“ Stimmung registriert.
Es gibt sogar einen Zusammenhang zwischen Stimmung und Mode. Allensbach spricht auch von einer Korrelation zwischen zunehmender Rocklänge und abnehmender Wirtschaftskraft, und der Rocksaum wird manchmal in fast schwindelerregende Höhe gehoben, wenn die Wirtschaftskraft zunimmt.
Unbeachtet der Tatsache, dass die meisten Menschen eher wohlgelaunt als griesgrämig sein wollen, scheint es Fälle zu geben, wo schlechte Stimmung bewusst kultiviert wird, etwa bei Menschen, die „aus pragmatischen Gründen immer wieder bestrebt sind, sich in eine unangenehme Stimmung zu versetzen: Ärzte, die sich melancholisch geben müssen, um ihren Patienten etwas Unerfreuliches mitzuteilen; soziale Aktivisten, die ihren Zorn über eine Ungerechtigkeit anfachen, um sie wirksamer bekämpfen zu können“(Goleman 1996, S. 51f.).
„Zeiten mit Wirtschaftswachstum und Prosperität erzeugen offenbar ein Gefühl von Lockerheit, das sich in der Mode unmittelbar anschauen lässt“ (Allensbacher Berichte 1992). Tatsächlich gibt es wohl einen, über das feuilletonistische hinausgehenden, Zusammenhang zwischen Stimmung und dem Äußeren. Ist die Stimmung gut, steigt der Mut, sich auffallend zu kleiden. Der gut Gestimmte greift zu schrillen Farben, tritt modisch auf und ist frecher in der Wahl seiner Stilmittel, gleichsam als wollte er ausdrücken: „Schaut her, ich bin gut drauf, und ich will, dass ihr es alle seht.“ Der schlecht Gelaunte dagegen legt kaum Wert auf seine Kleidung, das Äußere ist ihm egal. Stimmungen werden so quasi öffentlich manifestiert.
Bedenkt man die eminente Bedeutung von Stimmungen im Vorfeld und Prozess der Kommunikation, so erscheint es nachgerade unverständlich, dass die Psychologie diesem Phänomen lange Zeit nur eine geringe Aufmerksamkeit geschenkt hat. „Erst seit Beginn der 80er Jahre lässt sich ein verstärktes Interesse an einer empirischen Erforschung des Zusammenhangs zwischen ‚Fühlen und Denken“ feststellen’ (Abele 1994, S. 11). Die wissenschaftliche Erforschung der Thematik ist noch jung und beschränkt sich weitgehend auf den Bereich der Psychologie. Eine guten Überblick über den Forschungsgegenstand geben Parkinson et al. (2000) .In der Kommunikationswissenschaft ist die Befassung mit den Stimmungsprädikatoren wie das Thema „Stimmung“ insgesamt ein vernachlässigtes Gebiet.
Dabei hat schon die Neurophysiologie vorgemacht, dass sich auch exakte Wissenschaftszweige mit affektiven Zuständen wie Glück, Euphorie oder schlechter Laune beschäftigen können. Es gibt naturwissenschaftliche Erkenntnisse darüber, in welchen Hirnzentren die biochemischen Prozesse ablaufen, die uns „in Stimmung bringen“ oder „bei Laune halten“. Der Grund, warum z.B. Euphorie nur kurz anhält, liegt biochemisch in der raschen Zerfallszeit der Endorphine. Eine Schlüsselstellung bei der Regulierung der Stimmung nimmt der Botenstoff Serotonin ein. Er ist für das allgemeine Wohlbefinden wie auch das freudige Hoch verantwortlich. Hat ihn das limbische System nicht ausreichend zur Verfügung, macht sich sofort Übellaune bemerkbar.
In Politik, Wirtschaft und Sport werden Stimmungen regelrecht instrumentalisiert. Die Cheerleaders beim amerikanischen Football und die Gesänge deutscher Fussballfans mit ihrem „Hohoho...“ sorgen auf Sportplätzen für Stimmung und sollen die eigene Mannschaft zum Sieg treiben (in diesem Zusammenhang wird häufig von „Heimvorteil“ gesprochen). Stimmungen werden angeheizt: Hübsche Mädchen machen beim amerikanischen Football müde Sportlerbeine munter. Ihre Aufmunterung soll die Spieler über ihr Leistungslimit hinaus führen. Sportstadien werden zu Arenen kollektiver Stimmungserlebnisse. In der aufgeputschten Atmosphäre ist das Mitmachen leicht, wird aber ebenso schnell zum Zwang. Der Sieg ist die Gewinnausschüttung an die vielen einzelnen Stimmungsmacher.
In der Gastronomie fallen die Trinkgelder höher aus, wenn der Gast sich wohlfühlt, und in guter Stimmung wird mehr für wohltätige Zwecke gespendet. Die richtige Stimmung lässt Spenden reichlich fließen. Sammlungen und Basare kirchlicher und karikativer Organisationen fallen nicht zufällig meist in die Vorweihnachtszeit. Denn dann sind die Menschen mildtätig gestimmt und geben, was sie nach dem Fest vielleicht in der eigenen Tasche behalten würden. Aber auch in den schönsten Wochen des Jahres, wenn Strand und Sonne die Stimmung versüßen, achtet man nicht auf den Cent. Ein wahre Goldgräberstimmung für Gastronomen und ihren kleinen und großen Preisaufschlag. Wer guter Stimmung ist, rechnet selten nach. Das tun dann die anderen.
Auch vor Wahlen oder in Rezessions- und Umbruchzeiten werden diese nicht greifbaren Befindlichkeiten gerne beschworen: “Die Stimmung im Lande ändert sich“, „Verantwortlich für den Stimmungsumschlag“, „Zum ersten Mal seit dem Stimmungstief.“, „Stimmungen sind keine Stimmen, aber wirkungslos bleiben sie nicht“, „Stimmung der Bevölkerung auf einem Tiefpunkt“. Daher ist es auch nicht zu bestreiten, dass „Politik von Stimmungen viel tiefer geprägt wird als durch das nüchterne Kalkül“ (Adam 1990).
Experimentell induzierte Stimmungen haben oft nur eine geringe zeitliche Konstanz (etwa 15 – 20 Minuten). Natürlich erzeugte Stimmungen können dagegen häufig über Stunden oder auch Tage hinweg andauern (vgl. Schwarz 1987, S. 3; Bierhoff 1990, S. 137f.). Darüber hinaus gibt es aber auch so etwas wie eine Lebensgrundstimmung, die situationsüberdauernd das Leben mit Optimismus oder auch mit Pessimismus betrachten lässt. Genau diese Lebensgrundstimmung wird dann aber auch immer wieder in kürzeren Abständen und mit kürzerer Dauer von situationsabhängigen Stimmungen überlagert und modifiziert.
Obwohl bestimmte Ereignisse Stimmungen auslösen, ist sich der Einzelne dieses Umstandes vielfach nicht bewusst. „Im Gegensatz zu Gefühlen rückt bei Stimmungen in diesem Sinne die Ursache der Stimmung nicht notwendig in den Fokus der Aufmerksamkeit" (Schwarz 1987, S. 2). Lenkt man Personen aber auf die Ursache ihrer jeweiligen Stimmung (z.B. schlechtes Wetter), dann verliert die aktuelle Befindlichkeit an Bedeutung, d.h. wird nicht mehr als Grundlage weitergehender Schlussfolgerungen benutzt. Fragt man sie aber selbst nach den Ursachen ihrer momentanen Befindlichkeit, dann kommt es nicht selten zu Verrationalisierungen und nicht zur tatsächlichen Ursachenaufklärung.
Gute Stimmungen rufen weitere positive Gefühle hervor. Man ist großzügiger, denkt und arbeitet kreativer und ist eher bereit, Informationen jenseits des derzeitigen Blickwinkels aufzunehmen. „In positiver Stimmung beurteilt man sich und seine Lebensumstände positiver, beurteilt andere Menschen positiver, ist hilfsbereiter und kontaktfreudiger als in Durchschnittsstimmung; in schlechter Laune ist man mit dem eigenen Gesundheitszustand unzufriedener, traut sich weniger zu, ist pessimistischer, weniger hilfsbereit und kontaktärmer als in Durchschnittsstimmung" (Abele 1995, S. 54). Bei guter Stimmung hat man keinen Anlass nach der Ursache zu fragen. Man bemüht sich, diese gute Stimmung möglichst lange zu erhalten. Schlechte Stimmungen führen dazu, die allgemeine Situation eher negativ zu beurteilen. Schlechte Stimmung steigert die Konzentration und lässt sorgfältiger arbeiten, aber auch weniger kreativ. Personen in schlechter Stimmungen ertragen Mehrdeutigkeiten nicht so gut. Bei schlechter Stimmung wird offensichtlich regelmäßig Ursachenforschung betrieben, man ist interessiert, die Gründe für die schlechte Stimmung herauszufinden und stellt allerhand an, um diesen Zustand zu beenden.
Zur Unterscheidung der Begriffe „Stimmung“, „Gefühl“ und „Emotion“ greifen wir auf die Definition von Schwarz (1987, S. 2) zurück. Danach wird der Ausdruck „Emotion" als Oberbegriff für alle inneren Zustände "von Stimmungen über Gefühle bis hin zu starken Affekten verwendet“ (ebd.). Stimmung ist dagegen eine „momentane, subjektiv erfahrene Befindlichkeit (...), die sich auf der Dimension Wohlsein - Unwohlsein beschreiben lässt. (...) Stimmungen in diesem Sinne sind atmosphärisch diffuse, ungegliederte Zustandserlebnisse (...) von meist geringer Intensität“ (ebd.). Stimmungen sind offen für Interpretationen und somit durch kommunikative Bemühungen beeinflussbar. „Denken und Handeln geschehen niemals „stimmungsneutral“, sondern sind immer in einen bestimmten Stimmungskontext eingebunden“(Abele 1995, S. 13).
Gefühle haben in der Regel einen klaren Objektbezug. Wir freuen uns „über etwas“, wir fürchten uns „vor etwas“, aber wir „sind“ in guter oder schlechter Stimmung. Schon kleine Alltagsfreuden („Guten Morgen“, „Dankeschön“) reichen aus, um Stimmungslagen zu erzeugen. Dennoch nehmen Stimmungen uns in einer sehr grundsätzlichen Weise gefangen und bestimmen, wie wir die Welt sehen. Stimmungen sind situationsbezogen, sie ändern sich im Laufe eines Tages oder einer Stunde: Es kommt zu Stimmungsschwankungen. Somit sind sie rasch und kurzfristig zu beeinflussen. Stimmung ist ein Stimulus. Stimmungen spielen sich auf einer unbestimmten Gefühlsebene ab. Sie weisen auf etwas hin oder lassen ein Ereignis vorausahnen. Meinungen ohne Gefühle haben keine Verhaltensrelevanz. Nur Meinungen, Einstellungen und auch Urteile, die mit Gefühlen besetzt sind, werden persönlich bedeutsam und damit handlungsrelevant. Menschen registrieren Reize nicht einfach passiv, sondern belegen sie statt dessen aktiv mit Bedeutungen, die im Einklang mit ihren aktuellen Interessen stehen. Verhalten ist an die Beteiligung von Gefühlen und auch situationsgebundenen Stimmungen gebunden: Je engagierter wir sind, desto eher setzen wir auch Absichten in praktisches Verhalten um.
Parkinson et al. (2000, S. 57) gehen davon aus, dass Stimmungen zu bestimmten Situationsdeutungen und zu bestimmten Verhaltensmustern prädisponieren. Nur unter dem Einfluss guter Stimmung bringt eine Person den Mut und das Selbstvertrauen auf, neuartige Verhaltensstrategien zu erproben und auch einmal etwas zu riskieren.Während Stimmungen aufgrund ihres fehlenden Objektbezugs niemals vordergründig in Relation zu ganz speziellen Handlungen stehen, sondern eher grundsätzlich die Modalität des Handelns (generelle Handlungsbereitschaft, Kreativität) beeinflussen, stehen Gefühle in einem direkteren Zusammenhang mit Handlungen.
Ein ganz "normaler" (d.h. nicht - im pathologischen Sinne - depressiver) Mensch gerät durch eine Reihe vergleichsweise unbedeutender Ereignisse in eine schlechte Stimmung. In dieser Verfassung sieht er sein ganzes Leben unter einer ungünstigen Perspektive. Wir wissen, dass solche Stimmungen häufig auftreten, aber meist nicht von langer Dauer sind. Dennoch beeinflussen sie die Art und Weise, wie wir denken. Im Volksmund spricht man von der ‚rosaroten Brille’, die unsere Sicht der Welt beeinflusst.
Dabei darf nicht übersehen werden, dass wir immer auch schon mit Stimmungen am Morgen unseren Arbeitsplatz erreichen: Stimmungen können nicht an der Garderobe abgegeben werden. In diesem Zusammenhang spielen die sogenannten Alltagsärgernisse („hassels“) eine wesentliche Rolle. Es handelt sich dabei um alltägliche Ärgernisse, den morgendlichen Stau, den unfreundlichen Pförtner, den schlecht gelaunten Kollegen usw., also um Dinge, denen wir schutzlos „ausgeliefert“ sind.
Generell tendieren aber Personen bei der Abwesenheit brauchbarer Bewertungskriterien dazu, einfache „short cuts" (ebd., S. 14), „Schlüsselreize“, zu benutzen. Die gute momentane Befindlichkeit war für die Versuchspersonen daher diejenige Informationsquelle, die ihnen in der konkreten Situation am leichtesten zugänglich war und von der sie deshalb auch in bevorzugter Weise Gebrauch machten. Momentanes Wohlbefinden wird zur guten Allgemeinbefindlichkeit transformiert. Aus dieser Überlegung lässt sich unmittelbar eine weitergehende Schlussregel ableiten: Der Einfluss von Stimmungen auf Zufriedenheitsurteile ist um so größer, je weniger andere Informationen zur Verfügung stehen.
Wir haben oben schon darauf hingewiesen, dass der Einfluss von Stimmungen auf Zufriedenheitsurteile sinkt, wenn man die Versuchspersonen auf die Ursache ihrer Stimmung (z.B. auf das schlechte Wetter) hinweist. Dies gilt jedoch nur für Personen in schlechter Stimmung. Personen in guter Stimmung werden durch situative Erklärungsangebote für ihre momentane Stimmung gering beeinflusst. Zur Erklärung dieses unterschiedlichen Verhaltens verweist Schwarz auf folgenden Umstand: Personen in guter Stimmung haben keine Veranlassung, eine Änderung ihres Zustandes zu wünschen; sie sind daher generell an Ursachenforschung nicht interessiert. Personen in schlechter Stimmung finden sich dagegen mit ihrer momentanen Befindlichkeit im Regelfall nicht ab. Die negative Stimmung motiviert die Suche nach Erklärungen, um dadurch in gewisser Weise das Phänomen in den „Griff" zu bekommen. Subjektiv erfolgreiche Ursachenforschung führt daher häufig zu einer Verbesserung der Stimmungslage.
Stimmungen beeinflussen nicht nur die Urteile der Menschen über ihre persönliche Zufriedenheit, sondern sie haben auch einen ganz erheblichen Einfluss darauf, wie wir denken, wie wir Probleme angehen, auf welche Art von Vorurteilen wir zur Erklärung und Vorhersage von Tatbeständen zurückgreifen. Der entscheidende Gesichtspunkt ist dabei, ob sich eine Person in einer guten oder in einer schlechten Stimmung befindet.
Isen et al. (1982) haben eine Untersuchung durchgeführt, in der es um den Einfluss der Stimmungslage von Versuchspersonen auf die Fähigkeit ging, Urteile abzugeben und Probleme zu lösen. Als Ergebnis konnte folgende Tendenz festgestellt werden: Personen, die sich in einer positiven Stimmung befinden, neigen dazu, die Komplexität von Aufgaben zu reduzieren, vereinfachte oder leicht zugängliche Formen der Informationsverarbeitung zu wählen und sich schließlich für eine simple, vielfach an Vorurteilen und Imagewerten orientierte Lösungsstrategie zu entscheiden. Andererseits zeigte diese Personengruppe bei Problemlösungsaufgaben aber trotzdem eine besondere Kreativität.
Eine gute Stimmung vermag demnach einen intuitiven, kreativen, aber gelegentlich auch unzuverlässigen „Denkstil“zu fördern; eine schlechte Stimmung dagegen steht nicht selten in Verbindung mit systematischen, konservativen, aber gelegentlich auch unflexiblen Orientierungsmustern.
In verschiedenen Experimenten wurde festgestellt (Piwinger/Niehüser 1997, S. 191):
Man ist sich im Alltag des Einflusses von Stimmungen auf das Handeln sehr wohl bewusst. So werden sich z.B. nur wenige Menschen, wenn die Stimmung „auf dem Nullpunkt“ ist, zu einer großzügigen Spende motivieren lassen. Für den, der Erfolg will, reicht es deshalb nicht aus, erst im nachhinein den Einfluss der Stimmungslage auf das erzielte Ergebnis zu konstatieren: „Hast Du wirklich erwartet, dass bei dieser Stimmung ein vernünftiges Ergebnis herauskommt?“ Andererseits wird etwa die „günstige Stimmung“ genutzt, um etwas zu erreichen: „An dem Tag ist uns einfach alles geglückt. Die Stimmung war bombig.“
Stimmungen sind informativ. Wir vermögen, wenn wir sie beobachten, abzuschätzen, wie andere sich uns gegenüber verhalten werden, welche Modetrends auf dem Markt kommen, was morgen „hype“ sein wird oder wie sich die Kursverläufe an der Börse entwickeln werden. Stimmungsforschung ist ein höchst ökonomische Form der Marktbeobachtung. Denken und Handeln geschehen niemals stimmungsneutral, sondern immer in einem bestimmten Stimmungskontext (Abele 1995, S. 13). Wenn es aufwärts geht, dann bessert sich die Stimmung. Damit es aber aufwärts geht, muss sich zunächst die Stimmung verbessern.
Ähnlich wie vorgefasste Meinungen, Einstellungen und Vorurteile beeinflussen Stimmungen den Prozess der Informationsverarbeitung. Personen, die sich in guter bzw. in schlechter Stimmung befinden, selektieren die dargebotenen Informationen auf völlig unterschiedliche Weise. Eine gute Stimmung führt zu einer großzügigen und optimistischen Bewertung der Gesamtsituation, zu Selbstvertrauen und Selbstsicherheit, wohingegen eine schlechte Stimmung vorsichtige Denkweisen und Bewertungen zur Folge hat. So scheint es, dass positive Stimmungen einen in jeder Hinsicht erstrebenswerten Zustand darstellt: „Gute Stimmung lässt positive Ereignisse in hellerem Licht, negative Ereignisse weniger düster erscheinen als schlechte Stimmung (Brandstätter 1991, S. 218).
Die Frage, ob jemand in guter oder schlechter Stimmung eher geneigt ist, Informationen zu verarbeiten, Probleme zu lösen, Aufgaben zu bewältigen, schien anfangs eindeutig beantwortbar zu sein. Es galt bislang als ausgemacht, dass schlechte Stimmungen „stärker motivieren als gute Stimmungen, Informationen zu verarbeiten, die die momentane Situation und die eigene Befindlichkeit betreffen“(Silberer/Jaekel, S. 101f.). Daraus wurde die „Motivationshypothese“ abgeleitet: „Je besser die Stimmung eines Menschen ist, desto geringer ist seine Motivation Informationen zu verarbeiten“(S.102). Diese Bewertung scheint etwas verfrüht, da schlechte Stimmung ja keineswegs die Verarbeitung jedweder Information begünstigt, sondern nur jene, die sich mit der eigenen konkreten Situation befasst: „Wenn man sich zum Beispiel geärgert hat, dann kann man sich schlecht konzentrieren. Ärger erfordert Aufmerksamkeit, man muss die eigene Stimmung „in den Griff“ bekommen... Erst wenn der Ärger im wörtlichsten Sinne „verarbeitet“ ist, kann die Aufmerksamkeit wieder ungeteilt der anstehenden Aufgabe zugewendet werden“(Abele/Brehm 1990).
Wer wissen möchte, welche Stimmung im Unternehmen vorherrscht, muss wachen Auges durch den Betrieb gehen. Zirkulieren Witze mit aggressiven und zynischen Pointen, dann steht es mit der betrieblichen Kommunikation nicht zum Besten. Die Urheber verschanzen sich in der Anonymität; schlechte Stimmung steckt an. Die Verantwortlichen sollten sich nicht selber mit dem Hinweis beruhigen, dass die Beschäftigten ihre Arbeit und ihren Status letztlich doch nach objektiven Faktoren beurteilen. Schlechte Stimmungen ist mehr als eine subjektive Entgleisung. Sie haben eine aufschlussreiche Entstehungsgeschichte und beeinflussen ganz erheblich den Denk- und Handlungsstil und die Arbeitsmotivation im Unternehmen.
Der Aktienmarkt ist ein gutes Beispiel, wie in weitgehend virtueller Kommunikation und vielfach ohne real rechenbare Gegengrößen Wertsteigerungen und Wertverluste allein auf Grund von Erwartungen, Fantasie, Einschätzungen oder gar Launen realisiert werden. Die Börse lebt von Stimmungen. Stimmungen sind die "Wünschelrute" der Kommunikation. Da liest man von "lustloser" oder "schläfriger" Stimmung, wenn nur geringe Kauf- oder Verkaufsaktivitäten zu verzeichnen sind; sie wird sofort als "zuversichtlich" bezeichnet, wenn eine rege Nachfrage herrscht oder neue Investitionen getätigt werden. In einem Sektor wie dem Finanzmarkt, bei dem der Außenstehende ein hohes Maß an Rationalität und Berechenbarkeit unterstellt, dominieren bei näheren Hinsehen Emotionen und andere nichtrationale Faktoren. Generell gesehen bestimmen sie die Kursverläufe an den Weltbörsen, wenn gemeldet wird: "Die Stimmung auf dem Parkett ist auf dem Tiefpunkt" oder "Der Börse fehlt es an Fantasie". Folglich gilt: Wenn keine Fantasie im Markt ist, sind die Umsätze gering und der Handel leblos. Die Stimmung für eine Aktie wechselt in diesen unberechenbaren Börsenzeiten schneller als die Fundamentaldaten. Inzwischen veröffentlichen mehrere Zeitungen und Zeitschriften so genannte „Stimmungsbarometer“, die Investoren bei der Anlageentscheidung helfen sollen.
Verstehensprozesse und die Bereitschaft, Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten, werden maßgeblich von der aktuellen Stimmungslage des Rezipienten beeinflusst. Viele sehen immer noch nicht, dass die Stimmung in der Mitarbeiterschaft eine wichtige Informationsquelle ist. Vor allem sind Stimmungen aufgrund ihres unbeständigen Charakters leichter zu beeinflussen als festsitzende Vorurteile und Stereotypen kommunikativ. Sie sind äußerst anfällig für jede Art von Manipulation.
Stimmung kann die einem Ereignis vorauseilende Gefühlsbotschaft sein. Die Stimmung innerhalb der Bevölkerung vor einer Wahl beeinflusst die Wahlergebnisse. Wichtiger noch: Zunächst beeinflusst sie den Charakter der öffentlichen Diskussion. Ebenso gibt es „Stimmungen“ auch in der Wirtschaft: Schlechte Prognosen, sinkende Risikobereitschaft der Unternehmer und viele andere Faktoren können durch schlechte Stimmungen beeinflusst werden. Stimmungen dieser Art spielen sich auf einer unbestimmten Gefühlsebene ab. Stimmungen sind Signale, Symptome, eine Art „Vorbeben“ und weisen auf noch nicht klar erkennbare Veränderungen hin. Darin liegt der Prognosewert von Stimmungen.
Der Prognosewert von Stimmungen interessiert nicht nur die Wirtschaft, sondern auch Wahlforscher und andere. Sie bemühen sich, die Stimmungslagen ausgesuchter Bevölkerungskreise zu erkunden, und schließen daraus auf ein bestimmtes Wahl- oder Konsumverhalten. Richtig gedeutet und bewertet können Stimmungen als Vorausinformation zu handfesten wirtschaftlichen Vorteilen führen. Immer häufiger setzt man deswegen bei Fernsehanstalten, aber auch in der Industrie auf sogenannte „Trendscouts“, deren Aufgabe allein darin besteht, Stimmungen und Trends in der Bevölkerung aufzuspüren. Durch die frühzeitige Erfassung sichern sich diese Unternehmen den entscheidenden Vorsprung vor den Mitbewerbern.
Es überrascht insofern auch nicht, dass die Meinungsforscher den Begriff bereits seit langem besetzt haben. So verweist man etwa im Institut für Demoskopie Allensbach auf die hauseigenen „Stimmungsprozente“, eine jeweils zum Jahresende erhobene generelle Stimmung in der Bevölkerung, die in der Rückschau betrachtet offenbar eine zuverlässigere Prognose des Wirtschaftswachstums liefert als die Berichte der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute. Dass „die Lage oft besser als die Stimmung ist“, lesen wir andauernd in der Zeitung.
Kollektive Stimmungen gehorchen anderen Gesetzmäßigkeiten als individuelle Stimmungen. Sie sind abhängig von den jeweiligen kulturellen und örtlichen Rahmenbedingungen. In der gegenwärtigen Phase, in der die meisten deutschen Unternehmen grundlegende Veränderungsprozesse durchlaufen, sind Stimmungsinformationen von größter Bedeutung. Eine Kommunikationsstrategie, die unternehmerische Initiativen im Rahmen von Veränderungsprozessen unterstützen soll, muss von vornherein auf das differenzierte Stimmungsbild im Unternehmen abgestimmt werden. Das traditionelle Instrument der Einstellungsmessung, die Mitarbeiterbefragung, ist vergleichsweise schwerfällig. Mitarbeiterbefragungen sind kostenintensiv und werden deshalb nur in größeren Zeitabständen durchgeführt. Zwischen dem Zeitpunkt der Einstellungserhebung und dem Vorliegen valider Ergebnisse liegen in der Regel mehrere Monate. Das bedeutet: die Stimmungslage, die schwankenden Einflüssen unterliegt, kann sich in der Zwischenzeit vollständig geändert haben. Zwischen dem Zeitpunkt der Einstellungserhebung und dem Vorliegen valider Ergebnisse liegen in der Regel mehrere Monate.
Eine Kommunikationsstrategie, die unternehmerische Initiativen im Rahmen von Veränderungsprozessen unterstützen soll, muss von vornherein auf das differenzierte Stimmungsbild im Unternehmen abgestimmt werden. Für die Gestaltung der Unternehmenskommunikation ist es wichtig zu wissen: Was geht zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Köpfen unserer Mitarbeiter vor? Die Erfassung von Stimmungsschwankungen gibt einen direkten Aufschluss über die Motivationslage im Unternehmen., zeigt wo Widerstände zu erwarten sind bzw. wo durch Ängste und Unsicherheiten der Veränderungsprozess in seiner Entwicklung behindert wird. Was bewegt sie? Ist die Grundstimmung eher positiv oder machen sich Resignation und Unzufriedenheit breit?
So wird etwa in japanischen Betrieben die gute Stimmung in geselliger Runde bewusst genutzt, um einen Kontrapunkt zum Arbeitsklima zu schaffen. Der tägliche oder regelmäßige Kneipenbesuch mit Kollegen schafft eine gelöste bis ausgelassene Atmosphäre, in der zwar immer noch über die Arbeit gesprochen wird, aber anders und oft zweckdienlicher, als man es in der Firma getan hätte. Für die Unternehmen ist diese Art der betrieblich-außerbetrieblichen Kommunikation anscheinend so wichtig, dass eigens für diesen Zweck z. T. horrende Spesenbudgets veranschlagt werden.
Der vollständige Beitrag ist erschienen in: Bentele, G./Piwinger, M./Schönborn, G. (Hrsg.): Kommunikationsmanagement (Losebl. 2001 ff.), Art.-Nr. 8.26, Köln 2008.
© Manfred Piwinger