Die wirtschaftliche Seite von Information und Kommunikation

Von Manfred Piwinger

Als Erstes soll der tief verwurzelten Auffassung widersprochen werden, Kommunikation (Aufwand und Ertrag) ließe sich nicht messen und bewerten. Wäre dies so, stünde Kommunikation außerhalb (jeder Form von) der Ökonomie, was falsch ist. Es ist überflüssig zu fragen, woher die pessimistische Auffassung kommt. Fest steht hingegen, dass es bislang erst wenige und wohl eher zaghafte Versuche gibt, Kommunikation in das betriebswirtschaftliche Inventar zu überführen. Relativ weit sind einige Unternehmen in der Einbindung von Kommunikation in die strategische Planung. Das ist ein großer Fortschritt, löst aber zum Beispiel nicht oder nur zum Teil die Frage der Erfassung und Zuordnung der Kosten für den Objektbereich "Information und Kommunikation". Mangels ausreichender Kenntnisse fehlt es dem betrieblichen Rechnungswesen an Schlüsselzahlen und Kennziffern für ein aussagefähiges Berichtswesen. Auch die Frage einer Wertschöpfungsrechnung, der Prozessgestaltung und der Planungsmethodik ist noch nicht schlüssig geklärt, obwohl auch hier einige vielversprechende Ansätze zu erkennen sind.

Bisherige Lösungsvorschläge beschränken sich in den meisten Fällen auf die Erfolgsmessung einzelner Maßnahmen und bleiben ohne Bezug zur strategischen Unternehmensentwicklung. Das herkömmliche Kontrollinstrumentarium für betriebswirtschaftliche Prozesse erfasst lediglich einen Teilausschnitt aus den Prozessen der Wertschöpfung. Dass Umsatzrendite und Marktstellung entscheidend über Unternehmens- und Markenmanagement beeinflusst werden können, wird vor dem Hintergrund des traditionellen betriebswirtschaftlichen Denkens leicht ausgeblendet. Für die Wertschöpfung ist nicht nur eine effiziente Bewirtschaftung des Realkapitals, sondern auch des intellektuellen Kapitals erforderlich (Volkart/Labhart 2001).

Unbestritten ist, dass Kommunikation in den letzten Jahren verstärkt in das Blickfeld des Top-Managements gerückt ist, weil dieses selbst unmittelbar in das Kommunikationsgeschehen eingebunden ist. Das gilt hauptsächlich für börsennotierte Gesellschaften mit ihren umfangreichen Publizitätspflichten. Erst durch die Entwicklung der Finanzmärkte seit Ende der 90er Jahre sind Information und Kommunikation als unternehmensrelevante Wertschöpfungsfaktoren ins Bewusstsein und in die Köpfe der Unternehmensvorstände gelangt. Das, was diese "am eigenen Leibe" erfahren und als in ihrer Verantwortung liegend wahrnehmen ist erfahrungsrelevant und führt zu einer Neubewertung von Information und Kommunikation in den Führungsetagen deutscher Unternehmen. Die Kommunikationsbranche profitiert von dieser neuen Sichtweise, sieht sich aber auch neuen Herausforderungen gegenüber.

Umfangreiche Informations- und Publizitätspflichten

Längst ist Kommunikation keine freiwillige Leistung mehr. Für Unternehmen gibt es im großen Umfang Informations- und Publizitätspflichten, die sie erfüllen müssen. Um ihren rechtlichen Verpflichtungen zu genügen, müssen die Unternehmen tief in die Tasche greifen. Aufwendungen in hoher zweistelliger Millionenhöhe sind keine Seltenheit. In Anbetracht steigender Anteile der Ausgaben für Information und Kommunikation am Gesamtbudget von Unternehmen fordern Unternehmensvorstände zu Recht den Nachweis von Effizienz und Wirtschaftlichkeit der eingesetzten Mittel. "Was bringt uns das?" — kann heute noch nicht hinreichend beantwortet werden. Den Umstand, dass Kommunikation für sie ein blinder Fleck ist, erleben viele Unternehmensvorstände als Kontrollverlust. Zumal für sie nicht unbedeutende rechtliche Risiken damit verbunden sind.

Obwohl in letzter Zeit an vielen Stellen Bemühungen erkennbar sind, den ökonomischen Wert von Information und Kommunikation zu erfassen, fehlt es noch an der Einbindung in das betriebliche Rechnungs- und Berichtswesen und folgend in die externe Rechnungslegung. Im Wesentlichen ist dies darauf zurückzuführen, dass es an einem einheitlichen Begriffsverständnis fehlt. Die Begriffe Information und Kommunikation haben in unterschiedlichen Disziplinen unterschiedliche Bedeutung und werden in der Alltags- und Mediensprache meist wenig trennscharf verwendet. Jeder versteht darunter etwas anderes. Dies erschwert im Hinblick auf ein Kommunikations-Controlling die Kosten- und Werterfassung.

Die fachwissenschaftliche Definition von Kommunikation hilft in diesem Falle nicht weiter. Sie wirkt eher einschränkend. Erst wenn man sich davon löst, wird der Blick frei auf Strukturen, die es uns erlauben, Kommunikation als eigenständiges Wirtschaftsgut und Werttreiber zu identifizieren. Der Begriff "Kommunikation" (Information ist an dieser Stelle ausgeklammert) kann entweder breit und äußerst eng definiert werden. "Breit" heißt in der hier vertretenen Auffassung: Kommunikation ist alles, wozu Kommunikation alternativlos ist. Macht man sich diese Auffassung zu eigen, sind sämtliche Repräsentationsaufwendungen eines Unternehmens (Gebäudearchitektur, Produktdesign, Sponsoring, Logo — die gesamte Unternehmensdarstellung) den Kommunikationsaufwendungen zuzurechnen. Die enge Begriffsauslegung ist die heute übliche: Gerechnet wird mit den Budgetkosten der einschlägigen Fachabteilungen. Schon heute wäre es möglich, unternehmensindividuell einen Definitionsrahmen aufzustellen. Das wäre ein erster und mutiger Schritt in Bezug auf die Überführung von Kommunikation und Information in das betriebliche Rechnungswesen.

Was sind Kommunikationskosten?

Solange wir uns nicht darauf festlegen, was wir unter Kommunikation verstehen wollen, kommen wir keinen Schritt weiter. Selbst für eine einfache Aufwandsrechnung fehlt die Grundlage. Das ist weniger eine Frage der Erfassung, sondern der Zuteilung: "Was sind Kommunikationskosten?" "Wo fallen sie an?" "Wie sind sie anteilig zuzurechnen?" Mehr oder weniger üblich ist heute der Budgetkostenansatz. Kommunikationskosten werden damit aber nur unvollkommen und schon gar nicht in der Breite erfasst. Eine weitere Erfassungs- und Zuteilungsproblematik liegt (Ruud/Pfister 2005) in der Abgrenzung zwischen Kosten und Investitionen. Ob die Kosten aktiviert oder lediglich laufenden Erträgen gegenübergestellt werden, hängt demnach wesentlich damit zusammen, ob die Wirkung von Informations- und Kommunikationsausgaben kurz- oder langfristiger Natur sind: "Eine kurzfristige Sicht", so die genannten Autoren, "stellt die Kosten einer laufenden Periode den Erträgen derselben gegenüber. Geht man hingegen davon aus, dass die Ausgaben zu langfristigen Ertragsrückflüssen führen, müssen die Ausgaben als Investition betrachtet und im Sinne einer Investitionskostenrechnung beurteilt werden."

Notwendig sind präzise Zielbenennungen. Daran hapert es noch vielfach. In vielen Fällen wird der großen Bedeutung von Kommunikation durch Unternehmen für ihr Ansehen und ihre Reputation uneingeschränkt zugestimmt. Gleichzeitig werden aber die unternehmensspezifischen Kommunikationsziele nicht präzise bzw. genauso präzise wie die übrigen Unternehmensziele formuliert (Arnaout 2005): "Statt dessen werden statt der Kommunikationsziele häufig die Attribute des Unternehmensimages selbst genannt (bspw. 'begeisternd', 'erfolgreich', 'kundenorientiert')."

Information und Kommunikation sind nicht dasselbe

Zweckmäßig ist es, die Begriffsklärung um einen weiteren Schritt zu ergänzen. Gemeint ist die Trennung von Information und Kommunikation nach ihrer Zweckbestimmung. Schnell wird man sehen, dass man es hierbei mit zwei unterschiedlichen Sachverhalten zu tun hat. Die Frage der Zweckbestimmung führt in der Konsequenz zu einer funktionalen Trennung. Vereinfacht gesagt, ist der Zweck der Information die Information; der Zweck von Kommunikation ist das Herstellen von Verständigung, von Gemeinschaft und beinhaltet Elemente der Selbstdarstellung. Information hat einen Wert für den, der darüber verfügt. Ist die "Ware" Information begehrt (z.B. auf dem Kapitalmarkt) , lässt sich für sie ein Preis erzielen. Andere "latente" Informationen sind womöglich belanglos, können aber in bestimmten Situationen oder unter bestimmten Umständen plötzlich einen Wert erlangen, z. B. Konkurrenzinformationen beim Eintritt in ein neues Marktsegment. Information basiert immer auf Wissen.

Aus wirtschaftlicher Sicht ist der Objektbereich "Information" verhältnismäßig einfach zu erfassen. In der Regel handelt es sich dabei um zeitlich befristete Vorgänge, deren Kosten gut nachgehalten werden können. Der Zweck ist erreicht, wenn die betreffende Information weiter gegeben und der Sachverhalt verstanden und behalten wurde. Danach kann ich die Aufwendungen dem Ertrag gegenüberstellen und eine Bewertung vornehmen. So einfach ist dies bei Kommunikationsaufwendungen nicht.

Die Verfügbarkeit von Informationen ist eine ebenso zwingende Voraussetzung für unternehmerisches Handeln wie die Verfügbarkeit von materiellen, personellen und immateriellen Ressourcen (Volkart et al. 2005). Informationen bilden die Basis jeglichen Handelns. Unzuverlässige Informationen führen zu Fehlentscheidungen. Für die Besorgung von Information entstehen Beschaffungskosten. Kommunikation hat hingegen eher den Charakter einer Investition und ist anders als Information nicht "marktfähig". Ihr "Wert" kann also nicht wie eine Ware zwischen verschiedenen Partner frei ausgehandelt werden. Kommunikationsvorgänge sind in der Regel langfristig angelegt und tragen zur Steigerung und Stabilisierung des Unternehmenswertes bei. Auch ein Kommunikationsprozess ist interessengeleitet. Der Erfolg von Kommunikation drückt sich in schwerer fassbaren Kategorien aus wie Betriebsklima, guter oder schlechter Ruf, Ansehen, Attraktivität, Reputation, Image, Vertrauens- und Glaubwürdigkeit u.a. All dies sind Wettbewerbskategorien. Sie verschaffen einem Unternehmen Wettbewerbsvorteile, indem sie z. B. Preisspielräume schaffen, es die besten Köpfe auf dem Arbeitsmarkt bekommt, im Fall von Schwierigkeiten eine höhere Glaubwürdigkeit (Präventivfunktion) verschaffen, die Bekanntheit und das Wissen über das betreffende Unternehmen verbessern.

Der Nutzen der Kommunikationsinvestitionen ist vordergründig in der Zunahme des Marktwertes zu sehen, der aufgrund der Kommunikationsleistung zustande gekommen ist (Volkart et al. 2005). In diesem Feld können Maßstäbe für eine Wertzumessung durch einen Wettbewerbsvergleich geschaffen werden. Investitionen in Kommunikation haben ja nur Sinn, wenn sie einen positiven Kapitalwert unter Einbeziehung risikoadäquater Kapitalkosten (Opportunitätskosten) erwirtschaften.

Der Vorschlag, Information und Kommunikation pragmatisch und letztlich nach ihrer Zweckbestimmung gewichtet, zu definieren hat Konsequenzen für die externe Rechnungslegung. Was nicht aus dem betrieblichen Rechnungswesen an Daten heraus kommt, kann auch nicht seinen Niederschlag in der externen Rechnungslegung finden. Bilanziell gesehen ist der Ertrag der Information Wissen, Verfahrens-Know-how, Marktkenntnis und Kenntnis des Verbraucherverhaltens. Er schlägt sich entweder in Form von Schutzrechten (Patente, Waren- und Markenzeichen u. ä.) nieder oder fließt in eine zu erstellende Wissensbilanz ein. Der Ertrag (Return on Investment) von Kommunikation schlägt sich im Allgemeinen im Goodwill nieder und ist prinzipiell stark risikobehaftet. Empfehlenswert ist von daher der Einbezug in die Risikovorsorge.

Kommunikationsrisiken und Reputationsrisiken

Kommunikation als Risikofaktor ist bisher stark unterschätzt worden, kann jedoch beträchtliche materiellen Schaden (Schadenersatzansprüche, Vertrauensverlust u.a.) nach sich ziehen. Risiken der Kommunikation müssen ebenso selbstverständlich wie Kredit- und Ausfallrisiken, Währungsrisiken u. a. berücksichtigt und im Risikobericht ausgewiesen werden. Das gesamte Standing eines Unternehmens, sein (guter oder schlechter) Ruf, sein Ansehen, seine Vertrauenswürdigkeit, seine Bekanntheit sind ein Vermögensgegenstand (Asset). Wer hier punktet, genießt zahlreiche Wettbewerbsvorteile: z.B. niedrige Eintrittsschwelle in neue Märkte, Preisspielräume, Einwerbung von Spitzenkräften, vorteilhafte Kreditratings und generell eine höhere Beachtung und Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Statt auf Sachrisiken, so Stefan Kirsten (ThyssenKrupp) auf der Jahrestagung der Schmalenbach-Gesellschaft 2003, sollten Unternehmen ihr Augenmerk künftig zunehmend auf Reputationsrisiken richten. Ruf- und Imageschädigung, Vertrauensverlust sind essentielle Risiken.

Auf den Finanzmärkten schreiben die Rechnungslegungsvorschriften für zugekaufte Markenwerte künftig einen jährlichen Werthaltigkeitstest vor, wobei noch völlig unklar ist, wie dieser im Einzelnen erfolgen soll. Die Wirtschaftsprüfer werden damit noch ihre liebe Not bekommen. Immerhin finden wir hier einen Ansatz, der eines Tages auch zur Bewertung des derzeit nicht aktivierbaren Teils des Goodwills herhalten kann. Das intellektuelle Kapital entscheidet nach Meinung von Ökonomen immer stärker über den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen und die Zukunftsfähigkeit von Standorten. Gleichzeitig gerät das intellektuelle Kapital immer stärker in das Blickfeld und das Bewusstsein von Analysten, Banken und Ratingagenturen. Häufig liegt die Börsenkapitalisierung weit über dem bilanziellem Eigenkapital.

Unternehmen stellen sich schlechter dar als sie es sind

Der Kapitalmarkt hat früh erkannt, dass die rein zahlenbasierte Argumentation keine ausreichende Information für eine faire Unternehmensbewertung mehr liefert und verlangt zusehends nach weiteren, aussagefähigen Erfolgsindikatoren für die Unternehmensentwicklung. In der externen Rechnungslegung kommt der tatsächliche Wert eines Unternehmens (Marktwert) nicht zum Ausdruck. Somit stellen sich die Unternehmen (unverständlicherweise) schlechter dar, als sie es eigentlich müssten. Markt- und Reputationschancen, die wegen dieser Unterlassung nicht aktiviert werden, führen zu höheren Opportunitätskosten.

Neben Bemühungen zur Einführung von Wissensbilanzen auf europäischer Ebene gibt es Überlegungen für eine bilanzbegleitende "Schattenbilanz". Sie könnte die erwähnte Wertlücke schließen. Die Außendarstellung vieler Unternehmen ist in dieser Hinsicht defizitär, bietet gleichzeitig aber große Chancen für die Kommunikation. Welche inneren Werte im Unternehmen stecken, findet man in keinem Geschäftsbericht dargestellt. Wirtschaftsprüfer wie Karl-Heinz Maul von PwC leiten aus den Bestimmungen zum HGB (§ 264 Abs. 2 Satz 2) sogar eine Berichtspflicht ab: "Das heißt, dass auf jeden Fall über immaterielle Vermögenswerte zu berichten ist, wenn erst dadurch ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Lage der Kapitalgesellschaft erreicht wird." Bei einem durchschnittlichen Anteil der immateriellen Vermögenswerte von über 50 Prozent des Unternehmenswertes kann kein Zweifel an der gesetzlichen Berichterstattungspflicht bestehen. Eingefordert wurde dies freilich bisher von keiner Stelle. Dies soll sich künftig ändern. Im Referentenentwurf des Bilanzrechtsreformgesetzes vom Dezember 2003 ist vorgesehen, dass große Kapitalgesellschaften im Lagebericht auch über "nicht finanzielle Leistungsindikatoren" zu berichten haben.

Die Finanzmärkte sind der einzige Platz, an dem der Marktwert eines Unternehmens täglich ausgehandelt wird. Analog zur Behandlung von Währungen oder Wertpapieren (§ 253 HGB) ließe sich der aktuelle Unternehmenswert entweder mit dem durchschnittlichen Jahreskurs oder dem Jahresendkurs in der Bilanz ausweisen. Auch wenn dies zunächst nur für börsennotierte Unternehmen möglich wäre, schaffte dies auf jeden Fal in der Öffentlichkeit mehr Klarheit über den eigentlichen Unternehmenswert.

Literatur: Piwinger, Manfred/Porak, Victor (Hrsg.) (2005): Kommunikations-Controlling. Information und Kommunikation quantifizieren und finanziell bewerten. Wiesbaden.

Veröffentlicht in: kommunikations manager, Frankfurt a.M., März 2005.


© Manfred Piwinger